Ob der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel der
bedeutendste Stuttgarter war und ist, darüber läßt sich
streiten. Dass er bei seinem Tod, ja bereits in seinen letzten Berliner
Lebensjahren, zum wirkungsmächtigsten Philosophen seiner Zeit,
zu einem »europäischen Ereignis«, wie es Nietzsche
formulierte, geworden war, ist unbestritten.
Geboren wurde Georg Wilhelm Friedrich Hegel am 27. August 1770 in der
Eberhardstraße 53, im heutigen Hegelhaus.
In seiner Vaterstadt Stuttgart besuchte er das Gymnasium Illustre, aus
dem das spätere Eberhard-Ludwigs-Gymnasium hervorging, bevor er
mit 18 Jahren zum Studium der Theologie nach Tübingen überwechselte.
Während seines Studiums an der Landesuniversität lebt Hegel
als angehender Theologe und herzoglicher Stipendiat im berühmten
Evangelischen Stift. Hier schloss er mit dem gleichaltrigen Hölderlin
und dem fünf Jahre jüngeren Schelling, die mit ihm das Zimmer
teilten, Freundschaft.
Hegels weitere Lebensstationen nach seiner Abschlussprüfung als
Magister 1793 in Tübingen verliefen wenig spektakulär:
Hauslehrer in Bern und Frankfurt 1793–1800
Privatdozent in Jena 1801–1807
Redakteur in Bamberg 1807–1808
Rektor in Nürnberg 1808–1816
Professor in Heidelberg 1816–1818.
Nichts deutete auf die große Stellung und Wirkung hin, die er
einmal im geistigen Leben seiner Zeit einnehmen sollte. Das sollte sich
erst mit seiner Berufung an die Universität Berlin, 1818, schlagartig
ändern.
Sehr bald nämlich wurden seine Auftritte als akademischer Lehrer
zu einem öffentlichen Ereignis. Zahlreiche Hörer und Studenten
aus fast ganz Europa fanden sich ein, um Hegel zu hören, der vom
Katheder aus die Universalität seines ungeheuren Wissens entfaltete.
So sprach er über Themen wie Logik, Naturphilosophie, Anthropologie
und Psychologie, Rechts-, Religions- und Kunstphilosophie.
Vor allem seine beiden Vorlesungen »Philosophie der Weltgeschichte«
und »Geschichte der Philosophie« waren wegen ihrer Anschaulichkeit
und der Fülle des vorgetragenen Materials die Attraktion des Berliner
geistigen und gesellschaftlichen Lebens.
Neben seinen Vorlesungen wirkte Hegel auch durch seine umfangreichen
Bücher, angefangen von der 1807 erschienenen »Phänomenologie
des Geistes« über »Wissenschaft der Logik« bis
hin zu den »Grundlinien der Philosophie des Rechts« aus
dem Jahre 1821, um nur ein paar Titel zu nennen.
Ein Teil seiner Werke wurde überhaupt erst nach seinem Tod 1831
veröffentlicht. Auch außerhalb seines akademischen Wirkungskreises
in Berlin übte Hegel, der Philosoph aus Stuttgart, einen ungeheuren
Einfluss aus, der noch lange nach seinem Tod anhielt. So schrieb der
große russische Schriftsteller Tolstoi rückblickend in seinen
Erinnerungen:
»Ein Mensch, der Hegel nicht kannte, hätte nicht mitreden
dürfen; wer die Wahrheit erkennen wollte, studierte Hegel. Alles
stürzte sich auf ihn«.
Vor allem die revolutionären Denker des 19. Jahrhunderts, wie z.B.
Kierkegaard oder Marx, setzten sich intensiv mit dem gewaltigen Gedankenbau
Hegels auseinander. Für Lenin war Hegel Pflichtlektüre, um
Marx zu verstehen.
Was Hegel leistete und was seine Faszination sowie seine Aktualität
ausmacht, war nicht mehr oder weniger als der Versuch, die gesamte Wirklichkeit
des Daseins, einschließlich der Erkenntnis Gottes, in Vergangenheit
und Gegenwart geistig zu erfassen und zu deuten. In einem imponierenden
Gedankenbau fasst er die bisherige Philosophie in einem einheitlichen
System zusammen.