Ein blauer Block in der Nacht, ein grauer Kubus am Tag. Die Fassade glatt und kantig; die Außenwände gegliedert in ein strenges Raster von neun mal neun Quadraten aus Glasbaustein und Fensterglas. Keine Frage – die Ende Oktober 2011 eröffnete Stadtbibliothek ist durchaus ein Hingucker. Ein Hingucker allerdings, der sich Außenstehenden gegenüber merkwürdig kühl und abweisend gibt.
Besucher sollten sich davon aber nicht abschrecken lassen. Wer den 40 Meter hohen kubischen Koloss durch einen der vier Eingänge betreten hat, spürt rasch: Dieses Gebäude entpuppt sich bei einem Rundgang als Überraschungs-Ei. Rechteck und Würfel dominieren zwar auch die Innenräume, doch nun auf ganz andere Art und Weise. Der Eingangsbereich, das zentrale „Herz“ der Bibliothek, ist einfach mehr als nur eine vier Stockwerke hohe Halle. Der Architekt des Hauses, der Koreaner Eun Young Yi, hat diesen leeren Würfel als hellen Ort der Entschleunigung und inneren Einkehr konzipiert.
Neunstöckiges Revier für Leseratten
Über dem „Herz“ liegt der quadratische Galeriesaal, der vom vierten bis zum achten Stockwerk reicht und sich dabei trichterförmig nach oben öffnet. Auf und zwischen den vier Ebenen verführen Wege und Treppen zum Flanieren zwischen Bücherregalen und Sitzgruppen, ermöglichen dem Besucher Begegnung und Kommunikation.
„Herz“ und Galeriesaal bilden über neun Geschosse hinweg den architektonischen Kern, der von den einzelnen Abteilungen umgeben ist. In diesen finden die Besucher rund 500 000 Bücher, Filme, Tonträger, Zeitungen, Zeitschriften, Noten, Graphiken, Software-Pakete sowie 200 Arbeitsplätze mit stationären PC und mobilen Computern.
Im Erdgeschoss gibt es neben Informationstheken und Videobildschirmen eine kleine Bibliothek, die täglich rund um die Uhr geöffnet hat – ein optimales Revier für schlaflose Leseratten. Die Musikbibliothek im ersten Stock umfasst neben 45 000 Notenblättern und 34 000 CDs aller Stilrichtungen auch ein Klangstudio. Das zweite Obergeschoss ist der Kinderbibliothek gewidmet: Mädchen und Jungen können sich auf verschiedene „Themeninseln“ zurückziehen, dort in alten und neuen Klassikern wie dem Räuber Hotzenplotz oder Harry Potter schmökern oder einfach nur spielen und basteln.
Nüchterner geht es im dritten Obergeschoss zu. Hier sind Sach- und Fachbücher unterschiedlichster Lebensbereiche versammelt – das Spektrum spannt sich von philosophischen Werken bis zum Frauenfußball. Das literarische Leben in und um Stuttgart mit Autoren aus der Region werden im vierten Stock präsentiert. Im fünften Obergeschoss sind die Fremdsprachen zuhause; außer Belletristik in 25 Sprachen stehen zum Beispiel auch arabische Kochbücher bereit. In der Etage darüber liegt das Reich der Jugendliteratur. Hier offeriert die neue Stadtbibliothek für Jungendliche neben Büchern und Computerspielen auch Programme zur Sprach- und Leseförderung.
Café LesBar und Panoramablick
Das siebte Obergeschoss hält Romane und Erzählungen aus aller Welt bereit – die Belletristikabteilung beherbergt Werke berühmter, aber auch unbekannter Autoren. Der achte Stock versorgt die Besucher nicht nur mit geistiger Nahrung: Neben der 2 500 Werke umfassenden Graphothek ist hier auch das Café LesBar untergebracht. Die Dachterrasse schließlich erweist sich als echter Höhepunkt und bietet einen beeindruckenden Panoramablick weit über die Stadt.