»Ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen,
und ihre Riesenprojekte – ihre Götterpläne und ihre
Mäusegeschäfte, das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit.«
Karl Moor spricht diesen Satz in Schillers Erstlingsdrama »Die
Räuber«. Mit ihm beschreibt er den Widerspruch des menschlichen
Lebens schlechthin: Zwischen Alltagssorgen und idealistischem Streben
ist der Mensch hin- und hergerissen, materielle Bedürfnisse und
immaterielle Sehnsüchte kennzeichnen seine Existenz. Zwischen diesen
Polen spielt sich auch Friedrich Schillers eigenes Leben ab: Während
er große Ideen in seinen Werken umzusetzen sucht, hat er im täglichen
Leben als Ernährer und Familienvater »Mäusegeschäfte«
zu bewältigen. Diesen Zusammenhängen und Widersprüchen,
die Schillers Biographie in besonderer Weise geprägt haben, spürt
die große Marbacher Sonderausstellung »Götterpläne
& Mäusegeschäfte. Schiller 1759-1805« nach. Sie
macht den Dichter als einen Meister des Kalkulierens und Kommunizierens,
als souveränen Anwalt seiner Stoffe und als einen der ersten freien
Schriftsteller in Deutschland plastisch und legt die Facetten seines
Lebens in Dokumenten und Zeugnissen frei.
»Ich stürze aus meinen idealischen Welten, sobald mich
ein zerrissner Strumpf an die wirkliche mahnt«.
schrieb Schiller einmal über den Zusammenhang von Leben und Dichten.
In der Ausstellung zeigt sich: Der idealische Dichter, das Geistwesen
Schiller, ist auch ein pragmatischer Kopf gewesen. Er kannte die Gesetze
und Mechanismen des literarischen Marktes und verstand es, sie für
seine Interessen wirken zu lassen. Dem kalkulierenden Dichter und seiner
Karriere nähern sich die Kuratoren der Ausstellung, Frank Druffner
und Martin Schalhorn, in den Räumen des Schiller-Nationalmuseums
exemplarisch aus je einem anderen Blickwinkel: Sie illustrieren Stationen
von Schillers Aufstieg bis zu seiner Erhebung in den erblichen Adelsstand
1802, geben Einblick in die gesellschaftlichen Beziehungen des Theaterdichters
und späteren Hochschullehrers und lassen Schiller als Experten
in Sachen Freundschaft aufscheinen. Auch die Resonanz auf Schiller,
die Verbindung von Ökonomie und Dichtung, Schillers literaturpolitisches
Engagement und sein Bemühen um eine Dichtung für ein breites
Publikum sind Themen der Ausstellung.
Mit ihren rund 230 Exponaten konzentriert sich die Schau bewusst auf
Schillers gegenständlichen und handschriftlichen Nachlass. Die
Kuratoren greifen auf Handschriften und Manuskripte, frühe Druckerzeugnisse,
Gemälde und Skulpturen, aber auch auf Alltagsgegenstände und
Kleidungsstücke zurück. Erstmals sind hierfür Kostbarkeiten
aus den Magazinen des Deutschen Literaturarchivs und dem Goethe- und
Schiller-Archiv in Weimar vereint. Hinzu kommen Leihgaben aus dem In-
und Ausland. Die Ausstellung wird von der Landesstiftung Baden-Württemberg
und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Mediengefördert.